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DG GROW: Neue „Leitplanken“ für Wettbewerb, Beihilfen und IPCEI

EU GD Binnenmarkt Industriepolitik Wettbewerbspolitik Beihilferecht IPCEI

Diskussionspapier:

https://single-market-economy.ec.europa.eu/publications/how-europe-could-get-both-green-and-deal_en

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Die Europäische Kommission, Generaldirektion GROW, hat am 11. Dezember 2025 das Diskussionspapier „How Europe could get both, the Green and the Deal“ vorgelegt. Die Publikation konstatiert tiefgreifende Veränderungen in der europäischen Unternehmenslandschaft, die von technologischen Umbrüchen bis zu geopolitischen Spannungen reichen, und kommt zu dem Schluss, dass das bestehende Instrumentarium der EU‑Industriepolitik einer grundlegenden Anpassung bedürfe.

 

Der Bericht betont, dass das industrielle Umfeld sich verändert habe, nicht aber der Rechtsrahmen, der deshalb angepasst werden müsse. Digitale Innovationen, das Ziel der Klimaneutralität und die Reorganisation globaler Wertschöpfungsketten hätten die Grundlagen verändert, auf denen wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden. Hinzu kämen sicherheits‑ und handelspolitische Verwerfungen, die nicht nur als ökonomisches Risiko, sondern als rechtlich relevante Bedrohung strategischer Abhängigkeiten verstanden werden müssen. Die EU sehe sich daher mit der Notwendigkeit konfrontiert, industriepolitische, sicherheitspolitische und klimapolitische Erwägungen miteinander zu vereinbaren und diesen Dreiklang in kohärente Rechtsakte und Programme zu übersetzen.

 

Das Papier verweist auch darauf, dass der Beitrag des industriellen Sektors für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Union erheblich sei. Industrie im weiteren Sinne – also einschließlich jener Dienstleistungen, die funktional industriell geprägt sind – bilde die Basis der europäischen Exportstärke und sei zugleich zentraler Motor für Produktivität und Innovation. Vor diesem Hintergrund gewinne die Frage, ob die geltenden Wettbewerbs‑ und Beihilferegelungen die Entstehung belastbarer Strukturen begünstigen oder vielmehr unbeabsichtigte Skalennachteile erzeugen, erhebliche Bedeutung. Die Analyse legt nahe, dass der bislang dominierende Grundsatz, wonach möglichst viele Marktteilnehmer ein Indikator für ökonomischen Fortschritt seien, sich angesichts internationaler „Winner‑takes‑all“-Dynamiken nach Ansicht der Autoren als unzureichend erweise. So lasse sich die Annahme eines fairen globalen Wettbewerbs, die traditionell Grundlage der EU‑Politik war, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten, weil zentrale Handelspartner ihre Industriepolitik zunehmend strategisch und mit massivem staatlichem Eingriff gestalteten. Dies müsse auf Seiten der Europäischen Union zu einer rechtlichen und politischen Neuorientierung führen, die insbesondere das Verhältnis zwischen Wettbewerbsrecht, Beihilferecht und industriepolitischen Zielen neu justiere. Der Bericht enthält dafür keine konkreten Vorschläge. Er enthält jedoch die Aussage, dass Wettbewerbspolitik so ausgestaltet sein soll, dass „vielversprechende (auch noch nicht wettbewerbsfähige) europäische Unternehmen“ die Möglichkeit haben, „schnell zu skalieren“ und globale Märkte zu erobern: „While the EU should preserve its model of bottom-up competition, in strategic, winner-takes-all industries, competition policy should allow promising (even if not competitive yet) European firms to scale quickly, improve and eventually conquer global markets through a dynamic selection process that fosters changes in firms’ behaviour towards growth, innovation and structural transformation“ (S. 13).

 

Die bereits heute geltende Pflicht der Mitgliedstaaten, bei IPCEIs einen europäischen Mehrwert nachzuweisen, sollte künftig noch stärker verankert werden – etwa indem EU‑Kofinanzierung davon abhängig gemacht wird. Die EU müsse jedoch flexibler und agiler werden. Während in Sicherheits- oder Wirtschaftskrisen schnelle strategische Investitionen möglich wären, dauerten IPCEI‑Genehmigungen oft jahrelang, was ihre Wirksamkeit deutlich mindere (S.8).

 

Der Bericht kritisiert, dass politische Maßnahmen zu häufig reaktiv ausgestaltet seien und auf das Schließen bestehender Lücken abzielten, statt vorhandene Stärken systematisch auszubauen. Damit einher geht aus Sicht der Autoren die Notwendigkeit, industriepolitische Priorisierung wieder als legitimes politisches Instrument zu begreifen. Sie verweisen auf europäische und internationale Beispiele, in denen gezielte öffentliche Unterstützung technologiespezifische Durchbrüche ermöglicht hat, ohne dabei in ordnungspolitisch problematische Einzelförderung abzugleiten (S. 11).

 

 

 

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