FIW-Seminar „Aktuelle Schwerpunkte des Kartellrechts“
Tagungsbericht von Yasin Hatir, Rechtsreferendar und zudem derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der 8. Zivilkammer des LG Dortmund
Am 26. Juni 2025 veranstaltete das Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e. V. (FIW) zum Thema „Aktuelle Schwerpunkte in Wettbewerbspolitik und Kartellrecht“ ein Seminar. In einem Konferenzraum des Dorint Hotels in Bonn – die Örtlichkeit hätte für den Austausch zwischen der beratenden Praxis und der Handhabung der behördlichen Praxis im Kartellrecht nicht passender gewählt werden können – fand das Seminar statt.
Das FIW verfolgte durch das Seminar das Ziel, die Teilnehmer über die aktuellen Entwicklungen im Kartellrecht zu informieren und für einen regen Austausch zu sorgen. Dafür lud es verschiedene Experten und Vertreter wichtiger Institutionen ein. Unter anderem fanden sich unter den Vortragenden Professor Dr. Konrad Ost, LLM, Vizepräsident des Bundeskartellamtes, Dr. Petra Linsmeier, Partnerin bei Gleiss Lutz Rechtsanwälte in München, und Prof. Dr. Gerhard Klumpe, Vorsitzender Richter der 8. Zivilkammer am Landgericht Dortmund.
Das Seminar begann mit einer Begrüßung und Einleitung durch Dr. Justus Herrlinger, Mitglied des FIW-Vorstandes, der dann das Wort an Prof. Dr. Konrad Ost übergab. Dieser hatte als inhaltliches Ziel seines Vortrags, die aktuelle Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes darzustellen. Dabei stellte er Fälle vor, die für Kartellrechtler auch über den eigentlichen Fall hinaus relevant sein können. Zu nennen wären da die 50+1 Regel im Profifußball, Übernahme von Vion-Schlachthöfen durch Tönnies, Einbindung von Google Automotive Services in Google Maps, etc. Besonders positiv sind mir diese Fälle in Erinnerung geblieben, da sie zeigen, dass das Kartellrecht in jeder Lebenssituation auch für den Verbraucher eine entscheidende Rolle spielen kann und wie es alltägliche Tools, die jeder von uns nutzt, wie Google Maps, beeinflusst.
Nach einer Kaffeepause gab es eine spannende Podiumsdiskussion unter dem Thema „Kartellrecht und Verteidigungswirtschaft – aktuelle Fälle im Spannungsverhältnis zwischen Politik und Wettbewerb“. Passend zum Thema waren auch die Teilnehmer mit Dr. Daniel Dohrn, Partner bei OPPENHOFF & PARTNER in Köln, Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V., Dr. Felix Engelsing, Vorsitzender der 4. Beschlussabteilung, und Dr. Anna Huttenlauch, Partnerin bei BLOMSTEIN Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Berlin als Moderatorin. Nicht nur, dass die Persönlichkeiten ganz unterschiedlich waren, machte die Diskussion spannend, sondern auch, dass die Beteiligten Funktionen in unterschiedlichen Institutionen wahrnahmen. Dadurch konnte die beratende Praxis durch Dr. Dohrn dem Auditorium nähergebracht werden, wohingegen Dr. Atzpodien die politische Seite detailreich erklären konnte. Dabei warf Dr. Atzpodien Fragen zur Effizienz der Beschaffungspolitik im Verteidigungssektor auf.
Direkt im Anschluss gab es einen sehr informativen Vortrag der renommierten Kartellrechtsexpertin Dr. Petra Linsmeier. Sie stellte Fälle vor, mit denen sie sich aktuell intensiver beschäftigt. Unter dem Themenschwerpunkt „Kartellverstöße durch Preisalgorithmen – immer relevanter, aber auch klarer?“ stellte sie Fälle aus dem amerikanischen Bereich dar, zum Beispiel die Klage der US-Justizbehörde gegen das Softwareunternehmen RealPage. Dabei geht es um eine Immobilienverwaltungssoftware, die zusammengefasst auf Basis von Daten und Algorithmen Mietpreise empfiehlt, wobei der letztendliche abgeschlossene Mietzins maximal 5 % von der Preisempfehlung abweicht. Auch bemerkenswert war — passend zum Titel des Vortrags —, dass alles, was offline kartellrechtlich nicht erlaubt sei, auch online nicht erlaubt sein darf und daher eine klarere Beurteilung solcher Algorithmen möglich sei. Dieser Vortrag wurde von Dr. Katrin Roesen, Referatsleiterin, Sonderkommission „Kartellbekämpfung“, Bundeskartellamt, kommentiert. Dabei würdigte sie kritisch den Vortrag von Dr. Petra Linsmeier.
Nach der Mittagspause gab es eine spannende Podiumsdiskussion zwischen Dr. Thomas G. Funke, Partner bei Osborne Clarke LLP, Köln, und Prof. Dr. Gerhard Klumpe unter dem Titel „Private enforcement und deutsche Zivilgerichtsbarkeit: Bestandsaufnahme und Diskussion der Schwächen und Stärken kartellrechtlicher Zivilprozesse“. Dabei gab es vertiefte Einblicke in die Tätigkeit eines Richters, der sich seit vielen Jahren mit Kartellrecht beschäftigt. Insbesondere wurde auf die Herausforderungen der Bewältigung der Justiz mit komplexen kartellrechtlichen Sachverhalten eingegangen und diskutiert, wie personelle Veränderungen innerhalb der Justiz, zum Beispiel durch das Hinzuziehen eines Ökonomen zur erkennenden Kammer, die alltägliche Bewältigung mit solchen Fragestellungen erleichtern könnten. Auch wurde darüber diskutiert, auf welche Probleme der einzelne Verbraucher stößt, der immerhin auch einen Schaden durch eine Kartellabsprache erlitten haben könnte, wenn er versucht, diesen zivilrechtlich durchzusetzen. Dabei wurde auf die Bezifferung des Schadens zum Beispiel bei einem Zuckerkartell eingegangen.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die interessanten Erwägungen von Dr. Horst Satzky, Mitglied des FIW-Vorstandes, zur „Theorie und Ideologie im Kartellrecht“.
Insgesamt war es eine informative und lehrreiche Veranstaltung. Insbesondere die Verknüpfung der unterschiedlichen Perspektiven – der beratenden, der richterlichen und behördlichen Tätigkeit – sorgte für einen spannenden Austausch. Das Zeitalter der Digitalisierung bringt nicht nur Innovationen für Unternehmen, sondern auch neue rechtlich zu beurteilende Konstellationen für Kartellrechtler mit sich.